WENTORF Drei neue Stipendiaten leben und arbeiten seit Kurzem in der Villa Willemsen. Ein Musiker, ein bildender Künstler und eine Autorin nutzen dort die Ruhe, um ihre ganze Kreativität zu entfalten.
Der Kontrabassist Robert Landfermann (38) aus Köln hat sich spezialisiert auf Jazz und improvisierte Musik. Der Professor an der Musikhochschule Mannheim ist glücklich, dass es geklappt hat mit dem Stipendium, er wohnt im Gartenhaus der Villa und will dort ein Musikstück für ein achtköpfiges Ensemble schreiben, das wahrscheinlich im Sommer bei der Triennale in Mannheim aufgeführt wird. Zusätzlich plant er Solo-Kontrabass-Aufnahmen. „Ich bin total begeistert von dem Ort, weil man spürt, dass der Geist von Roger hier noch durchgeht.“ Wie seine Künstlerkollegen fasziniert ihn, „dass das hier keinen musealen Charakter hat, sondern sehr natürlich weiterwächst, das ist inspirierend und frisch.“
Kulinarisch verwöhnt wurden die drei von Koch Söhnke Brehmer von der Gastronomie des Wentorf-Reinbeker Golfclubs, worüber sie sich sehr gefreut haben. „Bislang haben wir abends immer gemeinsam gegessen“, erzählt Robert Landfermann. Dabei besteht natürlich auch reichlich Gelegenheit zum Austausch.
Bildende Kunst ist das Thema des Franzosen Youssef Tabti (53), der seit rund 20 Jahren in Hamburg lebt. Er arbeitet mit Klang, Fotografie und Video und hat in der Villa seinen Schwerpunkt auf das Thema Selbstmord gelegt, wobei ihn die Hintergründe interessieren. „Roger hat ein Buch über Suizide geschrieben“, erklärt Tabti, der sich seit 2012 mit Menschen beschäftigt, die ihr Leben aus politischen oder sozialen Gründen beenden und der jetzt ein Buch mit Fotos und Text plant, das im nächsten Jahr veröffentlicht werden soll. Ihm hilft es generell, sich zurückzuziehen, ein Projekt außerhalb des Ateliers zu entwickeln. So war er schon in verschiedenen Ländern aktiv.
Charlotte Gneuß aus Leipzig hat szenisches und literarisches Schreiben studiert und arbeitet an ihrem Debüt-Roman. Mit Blick auf die bevorstehende Abnahme beim Verlag will sie „soviel weiterschreiben wie möglich“. Ihre Geschichte über eine Sechzehnjährige, die von ihrem Partner verlassen wird, weil er die DDR verlässt, hat Bezug zu Gittersee, einem Vorort von Dresden, wo bis 1989 Uran abgebaut wurde – die Verseuchung des Bodens sei ein Tabuthema, so die Autorin. Alle Interviews, die sie für ihren Roman geplant hatte, sind coronabedingt ausgefallen, bedauert die 29-Jährige. Sie hat viele Kurzgeschichten geschrieben, die die DDR aus Kinder- und Jugendperspektive beschreiben. Sie berühre es sehr, dass der Publizist und Fernsehmoderator Roger Willemsen noch den Anstoß zur Stiftungsgründung durch den Verleger des mare-Verlages, Nikolaus Gelpke, gegeben hat und mit Willemsens Tod 2016 etwas Neues weitergetragen wird.