REINBEK Joachim Niemann ist in der Küche seines Traditions-Gasthofs in Reinbek groß geworden. „Als vier Jahre alter Steppke bin ich mit meinem Dreirad immer im Kreis um den Herd gefahren“, sagt der heute 70 Jahre alte Seniorchef des Hauses. Nun muss er sein Restaurant schließen.
Der Landgasthof steckt voller Erinnerungen. Auch nach jetzt 167 Jahren brummt der Laden, die Gaststube ist trotz der mittlerweile eingeschränkten Öffnungszeiten auch unter der Woche gut besucht. Schon nachmittags lassen sich Besucher die klassisch norddeutsche Küche schmecken. „Heutzutage sind wir deutschen Landgasthöfe ja die Exoten“, sagt der Koch aus Überzeugung. „Italienische, griechische oder asiatische Küche findet man hingegen an jeder Ecke.“ Und doch werden Joachim Niemann und seine Tochter Rebecca das Restaurant am 15. Dezember schließen müssen. „Meine Frau Edith ist 69 und ich bin 70 Jahre alt: Wir wollen uns zurückziehen“, sagt der Senior. Die Hoffnung, dass beide Töchter den Traditionsgasthof übernehmen, hat sich zerschlagen. Jetzt ist nur noch Tochter Rebecca mit im Boot, die sich künftig auf den Hotelbetrieb konzentrieren will. Niemann hatte erst vergangenes Jahr eine Dreiviertelmillion Euro investiert. Der alte Festsaal ist elf modernen Hotelzimmern mit Duschbad und Wlan gewichen. „Alles, was man so haben muss“, sagt der Gastronom. Ein großer Teil der Kosten sei durch behördliche Auflagen entstanden, weil Niemann seinen eigenen Brunnen hat und sein Abwasser selbst entsorgt. Der erfahrene Gastwirt weiß aber auch: „Das Hotel plus Restaurantbetrieb zu führen ist doch zu viel für eine Person.“
Seine Lehre als Koch hat Niemann im Hotel Reichshof in Hamburg absolviert. „Das war eine harte Schule. Denn ich wurde am ersten Tag vom Chef persönlich – er war ein Freund meines Vaters – allen anderen vorgestellt und hatte meinen Ruf als Chefs Liebling weg.“ Sein Großvater Wilhelm Niemann hatte den Gebäudekomplex in den 1920er-Jahren so gebaut, wie er im Wesentlichen heute noch steht. „Ich habe den Stil unseres Hauses mit Holzvertäfelung, Kachelofen und Wilddekorationen immer gepflegt.“ Deshalb hatte er sich als Nachfolger auch eine deutsche Küche gewünscht. „Doch alle Interessenten waren Italiener oder Griechen und wollten alles umkrempeln. Das können sie auch gern tun, wenn sie das Objekt kaufen.“ Für ihn ist Mitte Dezember Schluss. „Nur für die Freiwillige Feuerwehr mache ich im Januar noch einmal eine Ausnahme“, sagt er. Wer noch einmal die Küche genießen will, sollte unbedingt unter Telefon 04104 23 91
reservieren.