2. April 2023
Wilhelmsburg

Eine Drehung in Richtung Zukunft

Blick auf Nähe von Tätern und Opfern schärfen

Drehung

Vera Drebusch und Oliver Menk vor dem neu ausgerichteten Denkmal Foto: KP Flügel/Margret Markert

WILHELMSBURG „Erleichert, dankbar und zufrieden“ zeigt sich Vera Drebusch, dass das 3,2 Tonnen schwere Kriegerdenkmal hinter der Wilhelmsburger Emmauskirche kürzlich um 90 Grad gedreht worden ist. Die Drehung ist der erste Schritt einer künstlerisch-kritischen Intervention von Vera Drebusch und Reto Buser. Beide haben als temporär zusammenarbeitendes Duo den Wettbewerb zur Neuausrichtung des Denkmals gewonnen.

„Zu sehen, dass die 3,2 Tonnen endlich gedreht wurden, war ein toller Moment, weil es während der Corona-Zeit große Pausen gab“, berichtet Margret Markert, ehemalige Leiterin der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen. Ihr Nachfolger Oliver Menk erzählt, dass 2018 ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde. „Damals wurde auf Grund von Umbaumaßnahmen bei der neben der Kirche befindlichen Kindertagesstätte und des Spielplatzes das hinter Büschen verborgene Denkmal wieder in den Vordergrund gerückt. Prompt wurde es in der gleichen Nacht mit dem Graffiti-Spruch ‚Kein Gedenken den Faschisten – Nazidreck‘ besprüht.

Daraufhin haben wir gesagt, das Denkmal scheint aufzurühren und wachzurütteln. Es entstand eine Denkmalgruppe um Pastorin Anja Blös sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger.“ Insbesondere die Inschrift „Den für Volk und Vaterland Gefallenen zur Ehre und im Glauben an die deutsche Zukunft – errichtet 1931“ wird als Vorwegnahme völkisch-nationalistischen Gedankenguts angesehen.

Vera Drebusch und Reto Buser haben sich für den Wettbewerb überlegt, „was man mit dem Denkmal machen kann“, so die Künstlerin: „Das Denkmalgesetz besagt, dass man ein Denkmal erhalten muss. Man darf es nicht abreißen, wenn es einem nicht mehr als zeitgemäß erscheint oder die Ästhetik nicht mehr gefällt.“

Bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Ort fanden sie heraus, dass schräg gegenüber des Denkmals von 1936 bis 1938 Hans Leipelt gewohnt hat. „Jude, verfolgter und hingerichteter Widerstandskämpfer des Hamburger Zweiges der ,Weißen Rose‘. Diese besondere Nähe zwischen Tätern und Opfer wollten wir noch einmal stark schärfen. So dass man sich fragt, wenn man vor dem Denkmal steht, wohin schaut es.“

Als Nächstes ist die Verlegung eines Kunstrasen-Streifens vom Denkmal hin zu den für Hans Leipelt und zwei weitere Familienangehörige verlegten Stolpersteinen geplant. „Damit soll die Sichtbarkeit noch stärker hervorgehoben werden und eine klare Bezüglichkeit gesetzt werden. Um das realisieren zu können, sind wir gerade im Gespräch mit dem Polizeikommissariat und anderen Ämtern der Stadt“, sagt Vera Drebusch.

Wer sich über das Projekt informieren möchte, hat dazu Gelegenheit im Rahmen der Wochen des Gedenkens am Denkmal hinter der Emmauskirche am 6. Mai, 15 Uhr

Denkmal
Das Kriegerdenkmal wird angehoben und gedreht Foto: KP Flügel/Margret Markert

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