24. Februar 2023
Elbe Wochenblatt Eimsbüttel

Misstrauen nach der „Spontanheilung“

EIMSBÜTTEL Der Albtraum endete so schockartig wie er begonnen hatte. Vor zwei Wochen mussten alle 13 Mietparteien des fünfstöckigen Wohnhauses am Langenfelder Damm – wie berichtet – innerhalb von 30 Minuten das Haus räumen. Grund: akute Einsturzgefahr. Der beauftragte Statiker Claus-Peter Mädge erklärte damals zur Verzweiflung der Mieter, dass das Haus wegen aufwendiger Sanierungsarbeiten mindestens ein halbes Jahr nicht wieder bezogen werden könne.

Dirk Andresen

Nur sieben Tage später die plötzliche Wende. Derselbe Statiker erklärte das Haus nun zum höchsten Erstaunen aller Beteiligten nach einer erneuten Begehung wieder für bewohnbar.

Die Bewohner sind zwar heilfroh, wieder in ihren Wohnungen zu sein, aber auch misstrauisch. Sie spotten über die „Spontanheilung“ des Hauses. Mädge gibt gegenüber dem Elbe Wochenblatt zu: „Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass die nötigen Arbeiten zur Stützung der Kellerdecke so schnell und fachgerecht ausgeführt werden können. Aber dort wurde echt reingehauen, mehr als 30 Stützkonstruktionen aus Holz eingezogen.

Die Standfestigkeit des Hauses ist wieder gegeben.“
Über seine schon sehr grobe Ungenauigkeit bei der zeitlichen Schätzung für die Sanierungs- und Stützarbeiten will er lieber nicht reden. Und dass die Mieter nach dem Schock und der Ungewissheit des plötzlichen Wohnungsverlustes einen eigenen Gutachter beauftragen möchten, versteht er ebenfalls nicht. Mädge: „ So ein Prozedere kenne ich nicht. Ich bin der Statiker und habe so entschieden.“

Für die Hausgemeinschaft keine ausreichende Antwort. Die Bewohner sind enttäuscht und verbittert über den Umgang mit ihnen vor, während und nach der Evakuierung. Und sie stellen unbequeme Fragen.

Viola Livera wohnt seit vielen Jahren im Langenfelder Damm Nummer 6

Mieterin Viola Livera: „Warum wurden wir und die Baubehörde erst über 24 Stunden nach der entscheidenden Begehung über die Gefahr für Leib und Leben informiert? Warum durfte und darf kein von uns Mietern bestellter Gutachter dabeisein? Warum wurde der Gehweg trotz akuter Einsturzgefahr nicht abgesperrt? Es bestand Gefahr für vorbeigehende Passanten, inklusive Kinder.

Warum wurde nachweislich erst am Dienstagmorgen mit Sicherungsmaßnahmen begonnen? Die Begehung war vier Tage zuvor. Warum wurden die Nachbarhäuser nicht informiert? Warum wird erst in den Medien geäußert, dass wir mutmaßlich erst nach einem halben Jahr zurückkehren können?“

Viele Fragen, kaum Antworten. Wohl auch deshalb machen inzwischen böse Vermutungen die Runde. Livera weiter: „Es stellt sich die Frage, ob der Eigentümer die Einsturzgefahr tatsächlich ernst genommen hat. Daran schließt sich die Frage, ob hier nicht lediglich ein ‚Vorgang‘ geschaffen werden sollte, um diesen gegen den Schutz von Gebäude und Mietverhältnissen durch die städtebauliche und soziale Erhaltungssatzung in Stellung zu bringen. Ich bin im Rechtschutz und werde das nutzen, um die Angelegenheit juristisch überprüfen zu lassen. So kann man mit uns Mietern nicht umgehen.“

Auch Lokalpolitiker sind alarmiert. Peter Gutzeit von den Linken in der Eimsbütteler Bezirksversammlung: „Ich werde das Gefühl nicht los, dass hier jemand die
Absicht hatte, das Haus zu entmieten, um dann die Abrissgenehmigung zu bekommen und auf dem Grundstück entsprechend teure Eigentumswohnungen zu bauen.“

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