30. Juni 2023
Altona

Ein Bauwagen gegen die Einsamkeit

Projekt „ZusammenWir“! der Trinitatis-Gemeinde

Zur Eröffnung des Bauwagens als neuer Begegnungsstätte an der Trinitatis-Kirche in Altona war der Andrang schon erfreulich groß Foto: Andresen

ALTONA Die Fakten sind dramatisch: Um 36.000 Mitglieder schrumpfte die Evangelische Kirche Hamburg allein von 2018 bis Ende 2021. Die Menschen wenden sich ab, sind enttäuscht, treten massenweise aus – die Nordkirche (Hamburg, Schleswig-Holstein, Meck-Pomm) verlor zwischen 2012 und 2021 unfassbare 500000 Mitglieder. Ausgerechnet direkt an Deutschlands sündigster Meile stemmen sich jetzt Kirchen-Verantwortliche gegen den fatalen Trend.

Nur einen Steinwurf entfernt von der Reeperbahn entsteht direkt an der Hauptkirche St. Trinitatis das neue „Trinitatis-Quartier“. Ein gewaltiger Komplex mit neuen Wohnungen, Geschäften, Kita, Café, einer Pilgerherberge und einer Diakonie. Doch nicht der beeindruckende Bau, sondern ein kleiner, rot angestrichener Bauwagen auf dem Rasen vor dem mächtigen Kirchenschiff ist das Symbol für den inhaltlichen und praktischen Aufbruch der dortigen Kirchengemeinde. Andrea Weber, als „Quartiersengel“ mitverantwortlich für das Projekt „ZusammenWir“ erklärt: „Ein ganz zentrales Thema soll dabei der Kampf gegen die Einsamkeit sein, die zu so etwas wie eine Epidemie unserer Zeit geworden ist.

Wir möchten die Einsamen aus ihrer Isolation holen, und dieser Wagen soll unser Symbol dafür sein. Ein klares Zeichen, dass neue Dinge im Aufbau sind. Wir möchten, dass die Bewohner hier diesen Wagen füllen, mit Ideen, Aktivitäten, Aktionen, Gesprächen. Die Menschen sollen sich hier wohlfühlen, aufgehoben mit ihren Sorgen und Nöten, sich nicht mehr allein fühlen, sollen spüren, dass eine neue Gemeinsamkeit entsteht, ein Wir-Gefühl. Dieser Bauwagen soll unser Begegnungsort dafür sein.“ Seit drei Wochen treffen sich dort Leute aus der Gegend jeweils donnerstags ab 15 Uhr zum Klönen, Kaffeetrinken, sich kennenlernen. Sehr erfreulich: Das neue, ungewöhnliche Angebot trifft auf beachtliche Gegenliebe. Andrea Weber: „Beim ersten Treffen kamen spontan mehr als 50 Leute. Einige hatten Gitarren mitgebracht und spontan wurden Songs zusammen gesungen.

Zwei ältere Damen, die seit Jahren quasi Nachbarinnen sind und sich bisher nicht kannten, plauderten plötzlich fast freundschaftlich miteinander.“ Erweitert wird das Angebot am Bauwagen, um den als Sitzgelegenheiten wie an einem Lagerfeuer Baumstämme gruppiert sind, ab sofort um ein musikalisches Highlight. Donnerstags jeweils ab 17 Uhr laden Kirchen-Kantor Jonathan Gable und Pianistin Ella Engelhard zum gemeinsamen Singen am ein.

Auch Andrea Weber schätzt die prekäre Situation vieler Kirchengemeinden sehr realistisch ein: „Die vielen Austritte sind für die Kirche schon dramatisch und haben – unter anderem – auch finanziell erhebliche Folgen. Wir müssen neue Wege finden, näher an die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten ran, sie in ihrem Alltag abholen.“

So soll der Bauwagen „kostenlos auch für eine Woche allen zur Verfügung gestellt werden, die eine tolle Idee haben. Wenn jemand dort ein Cafe machen will – okay. Oder Künstler, die keinen Ausstellungsraum finden, sind willkommen. Wir möchten möglichst viele Ideen fördern und umsetzen.“ Als Credo für die neue Bauwagen-Begegnungsstätte fällt Andrea Weber ein altes afrikanisches Sprichwort ein, das lautet: ‚Wenn du schnell gehen willst, dann geh allein. Wenn du weit gehen willst, geh mit anderen‘. „Das ist es, was wir möchten. Gemeinsamkeit gegen Einsamkeit.“

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