10. März 2023
Lauenburg

Ein Friedhof mit Platz für das Leben

Elle Koriath war das Gesicht von Lauenburgs letzter Ruhestätte

Elle Koriath (Mitte) gibt die Leitung des Friedhofes an Annett Topaloglu und Uwe Pusback ab Foto: er

LAUENBURG Als Elle Koriath vor 30 Jahren die Leitung des Friedhofes übernahm, sind ihr zuerst die vielen Verbotsschilder aufgefallen: „Die mussten weg. Nichts war erlaubt. Nur weil es sich um einen Friedhof handelt, muss der Ort ja nicht tot sein.“

Diese Einstellung hat sie bis heute verteidigt, wenn es sein musste, auch gegen Widerstände. Jetzt geht die 62-Jährige in den Ruhestand. Fünf Hektar ist der Lauenburger Friedhof in Lauenburg groß, eine grüne Oase mitten in der Stadt. Das kann man sogar Anfang März erahnen: erste Krokusse blühen und Schneeglöckchen. Die Büsche schimmern von den ersten Knospen hellgrün. Elle Koriath zeigt den liebevoll angelegten Libellengarten.

Jeder trauert anders

Wer hier seine letzte Ruhe findet, stand nicht auf der Sonnenseite des Lebens. Sozialbestattung heißt die Zeremonie im Amtsdeutsch: Die Kosten dafür übernimmt das Amt. „Kürzlich wurde hier ein junger Mann aus Lauenburg bestattet. Angehörige hatte er nicht, eine Wohnung auch nicht. Aber drei Kumpels, die am Grab auf den Freund angestoßen haben.“ Für die gläubige Christin Elle Koriath ist das völlig in Ordnung. „Wer sind wir denn, dass wir jemandem vorschreiben können, wie er zu trauern hat“, sagt sie.

Vor 30 Jahren wären Beisetzungen fast immer nach dem gleichen Schema abgelaufen. „Heute ist fast alles möglich. Die Zeremonien sind so individuell wie die Menschen, die verstorben sind. Neulich wurde ein Jäger beigesetzt. Während der Zeremonie kreiste sein Falke über den Köpfen der Trauergäste. So hätte er es sich gewünscht“, ist sie sich sicher.

Großer Aufwand oder kleine Gesten – Elle Koriath ist das egal. „Für mich hat ein Obdachloser dieselbe Würde wie ein Firmenchef“, sagt sie.
In der grünen Oase der Stadt gibt es im Sommer jede Menge Aktionen, die man im ersten Moment auf einem Friedhof nicht vermuten würde. Es gibt Lesungen, Pflanzbörsen und Ausstellungen. Seit vergangenem Jahr lädt hier der Seniorenbeirat der Stadt zum Boulespiel ein. Sogar das Fernsehen war schon da. Im April 2019 drehte hier ein Kamerateam eine Sendung „Wünsch Dir Deinen NDR“.

Es gibt blühende Wildblumenwiesen und zahlreiche Obstbäume in unmittelbarer Nachbarschaft. Für Koriath ist das alles kein Widerspruch zu gelebter Friedhofskultur. Im Gegenteil: Das Team des Friedhofs engagiert sich im Verein Immaterielles Erbe Friedhofskultur. „Ich bin stolz darauf, dass wir mit unserem kleinen Lauenburger Friedhof neben den großen Friedhöfen in Deutschland Beachtung finden“, sagt sie.
Man könnte nun meinen, Elle Koriath hätte Mühe loszulassen. Immerhin ist sie seit so vielen Jahren das Gesicht des Lauenburger Friedhofes. „Ich habe überhaupt kein Problem loszulassen. Wir haben über einen so langen Zeitraum an einem Strang gezogen, da kann ich mich guten Gewissens verabschieden“

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