GEESTHACHT Axel Funke ist oft in der Natur unterwegs. Der Geesthachter ist Hundebesitzer, zudem Sportwart des Angelvereins Geesthacht. Aber so etwas hat er noch nie erlebt: Er ist am 2. Mai nachmittags mit Hündin Ginny im Bunkerwald in den Besenhorster Sandbergen unterwegs. Etwas raschelt, er blickt nach links– und ist baff. Bei einer kleinen Birkengruppe, „keine 20 Meter vom Weg entfernt“, streift ein Wolf durchs Gebüsch.
Angst hat Axel Funke nicht. Im Gegenteil: „Ich hatte alle Hände voll zu tun.“ Er nestelt in aller Eile das Handy für ein Foto aus der Hosentasche, kämpft mit dem Fingerabdrucksensor für die Entsperrung und muss nebenbei auch noch die aufgeregte Ginny zur Räson bringen. Die kleine Hündin kann den Wolf zwar nicht sehen, aber der Wind bläst ihr den Wolfsgeruch direkt in die Nase.
Als Axel Funke die Handykamera schussbereit hat, ist der Wolf schon wieder verschwunden. Axel Funke schlägt die gleiche Richtung wie das Raubtier ein. Aber erst eine Stunde später in der Nähe des Knollgrabens bei der Landesgrenze nach Hamburg sichtet er ihn erneut. „Wieder sehr überraschend und nur ganz kurz“, schildert Axel Funke die Situation. Etwa 50 Meter entfernt schnürte er auf einem Trampelpfad einen Zaun entlang.
Es gibt gute Unterschlupfmöglichkeiten in Besenhorst, viele Rehe. Ein erwachsener Wolf sollte pro Tag etwa drei bis vier Kilo Fleisch vertilgen. Trotzdem schien der Wolf nicht in Form zu sein. Axel Funke kommt er zu dünn vor. Wieder zu Hause, schreibt er deshalb zur Information für andere Hundebesitzer und Spaziergänger auf Facebook von der Sichtung eines ausgehungerten Wolfes.
Weitere Sichtung in Altengamme
Möglicherweise handelt es sich auch um einen Jungwolf, der sich auf der kräftezehrenden Wanderschaft befindet. Wölfe auf dieser Seite der Elbe gelten bei Experten als Durchzügler weiter Richtung Norden, um sich ein Revier zu suchen. Auch in einer Facebook-Gruppe aus den Vier- und Marschlanden wurde zeitgleich über eine Wolfssichtung in Altengamme diskutiert. Die Region um Geesthacht ist als dauerhafter Lebensraum für Wölfe nicht geeignet, weil die Waldgebiete zu klein und immer wieder durchschnitten sind von Straßen und Ansiedlungen.
Bei der Nachricht über die Wolfssichtung am Knollgraben schrillen bei Elke Fritzsche-O’Connell die Alarmglocken. Denn ein Stück weiter östlich liegt ihr Pachtland. In ihrem „Shettychat“ lernen Kinder tiergestützt auf spielerische Art Englisch mit Ponys und Pferden.
„Man kann nicht 24 Stunden auf seine Tiere aufpassen, das ist illusorisch“, meint Elke Fritzsche-O’Connell. Sie hofft, dass die Herdendynamik funktioniert. „Die Rinder wiegen bis zu 900 Kilo, die bilden bei einem Angriff eine geschlossene Mauer, die Pferde sind auch wehrhaft. Bei den Ponys und Ziegen ist das eine andere Sache“, sagt sie.
„Die Begegnungen werden häufiger werden“, meint der Biologe Friedhelm Ringe vom Geesthachter Nabu. Von einem Wolf im Bunkerwald hat er zuvor noch nie gehört. Ringe ist auch Mitglied der Rindergilde, die ihre Herde an der Linau bei Kollow auf einer Weide mitten im Wald stehen hat. „An Rinder- und Ponygruppen, die intakt sind, da geht der Wolf nicht ran“, ist sich auch Friedhelm Ringe sicher. So ist ihm kein Vorfall bei der Herde der Rindergilde bekannt. „Aber einzelne Tiere, die krank oder geschwächt sind, darf man künftig nicht mehr ungeschützt lassen“.