11. Februar 2023
Geesthacht

Die Hundertjährige, die zum TÜV musste

Marianne Goetze lebt im Johanniter-Seniorenheim und musste ihren Führerschein machen

Marianne Goetze im Johanniter Seniorenheim wurde am 2. Februar 100 Jahre alt Foto: Palapies

GEESTHACHT Andere geben ihre Fahrerlaubnis als Senior ab, bei Marianne Goetze war es genau umgekehrt. Warum sie mit über 90 Jahren beim TÜV vorfahren musste.

Dass jemand bei bester Gesundheit 100 Jahre alt wird, ist selten, kommt aber vor. Jubilarin Marianne Goetze ist aus einem anderen Grund eine echte Rarität im Seniorenheim der Johanniter in Geesthacht: Sie ist die Einzige, von der Pflegeheimleiterin Petra Henninger je gehört hat, die einen Führerschein für ihren Seniorenroller
machen musste.

Mobil mit Roller

Marianne Goetze war am 2. Juni 2014 in das Pflegeheim eingezogen. Sie ist robust, aber für ihre Touren fehlte allmählich die Kraft. Ein Seniorenroller wäre perfekt, um die Mobilität zu erhalten, aber so einfach ließ sich das nicht an. Der TÜV bestand auf eine Fahrtauglichkeitsbescheinigung für das kleine Fortbewegungsmittel. „Das habe ich zum ersten Mal erlebt: Ein Senior von uns, der zum TÜV musste“, sagt Petra Henninger.

Geübt wurde im Seniorenheim: vorwärts, rückwärts, um die Ecke herum. Marianne Goetze fuhr schließlich mit der Bahn nach Hamburg, um ihre Fahrkünste beim TÜV vorzuführen. „Ich saß da beim Warten mit lauter Männern, die ihren Führerschein verloren hatten“, erinnert sich Marianne
Goetze. „Und war deutlich die Älteste.“ Die Prüfung erledigte die damals 92-Jährige mit Bravour. „Das Zertifikat liegt irgendwo oben auf dem Schrank mit anderen Papieren“, sagt sie. Es hat niemand je sehen wollen. Mit dem Gefährt ist sie bis heute einmal in der Woche regelmäßig in der Geesthachter Innenstadt unterwegs, erledigt Einkäufe oder andere Geschäfte. „Frau Goetze ist noch völlig autark“, sagte Petra Henninger. „Ich bin selbst erstaunt, was ich alles noch kann“, meint die Jubilarin.

Geboren wurde Marianne Goetze in Lodz, mit 19 Jahren wurde sie zur Luftwaffe einberufen – zur Überwachung des Luftraums. Sie geriet in Gefangenschaft, kam im Mai 1945 für sechs Wochen in ein Lager nach Rendsburg. Dann wurde ihr eine Unterkunft auf einem Bauernhof in Struckum zugewiesen. Erst von dort aus ließ sich wieder Kontakt zu ihrer Familie herstellen.

Sie schrieb einen Brief, die Schwester antwortete. „Die Frau des Bauern brachte den Brief, sie war noch aufgeregter als ich“, erzählt Marianne Goetze.

Marianne Goetze fand eine Anstellung bei Philips in Lokstedt beim Bau von Radioröhren. 1954 heiratete sie. Ihren Mann hatte sie über eine Zeitungsannonce kennengelernt. Kinder wollte Marianne Goetze als über 30-Jährige nicht mehr bekommen. Sie zog bei ihrem Mann in Rahlstedt ein. Anfang der 1970-er Jahre siedelte das Paar in die Geesthachter Oberstadt um. Ihr Mann verstarb bereits in den 1980-er Jahren.

Unter den Gratulanten zu ihrem 100. Geburtstag am Donnerstag vergangener Woche war auch Peter Groh, der stellvertretende Bürgervorsteher. Die Stadt gratuliert stets zum 90., 95. und 100. Geburtstag, ab da für jedes weitere Lebensjahr.

Für 2023 sind vorgemerkt: 76 Menschen für 90 Jahre, 27 für 95 Jahre, zwei für 100 Jahre, vier für 101 Jahre, drei für 102 Jahre und jeweils eine Frau für 103 und 104 Jahre.

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