REINBEK Beinahe hundert Jahre stand die mächtige Roteiche an der Straße Schatzkammer in Reinbek-Hinschendorf. Anfang der Woche rückten die Baumfäller an und begannen, die Äste abzusägen. Am Abend war nur noch der Stumpf übrig.
Ein Bild, das der Anwohner Hans-Helmuth Meyner wohl so schnell nicht vergessen wird: „Ich bin schockiert. Das hätte nicht geschehen dürfen“, sagt der Chemiker und Biologe. „Die Aktion ist völlig aus der Zeit gefallen. Alle reden vom Klimaschutz, und dann passiert so etwas. Nun verliert unsere kleine Straße den letzten großen Baum, der zudem kerngesund ist.“
91 Jahresringe hat der Anwohner auf dem imposanten Stamm gezählt. Das macht 91 Jahre Fotosyntheseleistung und gebundenes CO2. „Viele sind fast einen Zentimeter stark. Die Wuchsleistung war für 91 Jahre enorm und weit überdurchschnittlich.“
Zusammen mit vielen anderen Reinbekern hatte Hans-Helmuth Meyner monatelang für den Erhalt der alten Rieseneiche gekämpft. 325 Unterschriften gegen die Fällung hatten sie gesammelt. Auch Bürgermeister Björn Warmer hatten sie hinzugezogen. Doch die Verwaltung durfte dem Bauherrn die Fällung der Eiche nicht verweigern. „Das ist ein Trauerspiel“, sagt Björn Warmer.
Baurecht vor Baumrecht
Allerdings waren der Verwaltung die Hände gebunden. Schließlich gilt in Reinbek wie überall in Schleswig-Holstein Baurecht vor Baumrecht. Auf dem Grundstück, auf dem die Eiche bis vor wenigen Tagen stand, soll nun ein Doppelhaus mit Parkplätzen gebaut werden. Besonders bitter findet Hans-Helmuth Meyner: „Für vier Parkplätze wäre genügend Platz gewesen. Für weitere Parkplätze musste dieser prächtige Baum fallen. Für mich ist das nicht nur empörend, sondern völlig unverständlich.“
Auch wenn es der alten Eiche nichts mehr nützt: Künftig dürfte so etwas nicht mehr so schnell passieren. Schließlich gibt es seit vergangener Woche auch für Hinschendorf einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan. Darin soll erhaltenswerter alter Baumbestand verzeichnet werden. Durch die Veränderungssperre, die für die kommenden zwei Jahre gilt, sind die Bäume vorerst geschützt.
„Wir hoffen, dass die Eiche das letzte Opfer ist“, sagt Günther Herder-Alpen, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, der den Reinbeker Umweltausschuss leitet. „Es kann nicht sein, dass es in Reinbeker Wohngebieten zugeht wie in Wildwest – dass einfach Grundstücke gekauft, massiv bebaut und plattgemacht werden“, so Günther Herder-Alpen.
