RAHLSTEDT An Hamburgs nordöstlichem Stadtrand können Spaziergänger die eindrucksvolle und abwechslungsreiche Hügellandschaft des Stellmoorer Tunneltals bewundern. Die weitläufige Landschaft verleiht dem Gebiet einen steppenartigen Charakter. Es ist von alten Baumbeständen umgeben.
Jetzt aber fürchten Naturliebhaber um den Erhalt des Tunneltals. Die Deutsche Bahn will neben der S 4 neue Bahngleise für Güterzüge durch das Tunneltal verlegen. Gleichzeitig sollen hohe Schutzzäune neben den Gleisen hochgezogen werden. Das mitten in einem besonders schützenswerten Naturschutzgebiet.
In Hamburg trägt das Gebiet, das sich auf einer Länge von über sieben Kilometer Länge zwischen Rahlstedt und Ahrensburg erstreckt, den Namen „Stellmoorer Tunneltal“. Auf schleswig-holsteinischer Seite heißt es „Ahrensburger Tunneltal“. Beide Gebiete sind seit 2010 Bestandteil eines FFH (Fauna-Flora-Habitat) und genießen damit den höchsten Schutzstatus auf europäischer Ebene. Mit Inkrafttreten der FFH-Richtlinie verpflichteten sich die EU-Staaten, ein europaweites kohärentes ökologisches Netz („Natura 2000“) aufzubauen, um die europäische biologische Vielfalt zu erhalten.
Neben der Problematik, den der Gleisausbau für den Naturschutz mit sich bringt, gibt es ein weiteres Problem. Für Wissenschaftler gehört das Gebiet zu den bedeutendsten Forschungsregionen altsteinzeitlicher Archäologie im nördlichen Europa.

Uralte Spuren
Die Spuren menschlicher Besiedlung im Tunneltal sind bis zu 14.700 Jahre alt. Entdeckt wurden die Kulturspuren eiszeitlicher Rentierjäger vor etwa 90 Jahren von dem Ahrensburger Prähistoriker Alfred Rust. Es gab spektakuläre Funde wie den „Stab von Poggenwisch“ (eines der ältesten Kunstobjekte Nordeuropas) und die weltweit ältesten Pfeile der Menschheitsgeschichte. Einem archäologischen Gutachten zufolge werden in dem Gebiet noch etwa 260.000 weitere Einzelfunde im Untergrund vermutet.
Durch die neuen Gleise werden Natur und Forschung im Tunneltal gefährdet. Vor allem im Stellmoorer Tunneltal, denn dort verläuft die Trasse mitten durch das FFH-Gebiet. Im Ahrensburger Tunneltal liegt die Trasse an der Schutzgebietsgrenze. „Dennoch wird durch den Bau der Gleise das Naturschutzgebiet stark betroffen. Es wird Bauverkehr sowie Lärm, Feinstaub und Erschütterungen geben“, sagt die Ahrensburger Natur- und Umweltschützerin Svenja Furken.

Klage läuft
Sie fordert: „Es muss alles darangesetzt werden, dass eine Alternativtrasse geprüft wird und der Gleisausbau im Tunneltal verhindert wird. Die neue S-4-Linie darf zukünftig nur auf der alten Bestandsstrecke realisiert werden!“
Gegen das Projekt, eine neue Trasse für Güterzüge durch das Naturschutzgebiet zu bauen, stellen sich inzwischen auch maßgebliche Politiker in Ahrensburg und Bargteheide. Zurzeit läuft eine Klage der „Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck e.V.“ gegen die geplante Streckenführung der Bahn.