5. August 2023
Jenfeld

Als Hamburg zerstört werden sollte

Neue Dokumente für die Ausstellung „Operation Gomorrha“

Hans-Werner Garbe überreicht das Dokument an Sabine Grimm in der HSU-Bibliothek. In der Mitte Helmut Stubbe da Luz, Kurator der Gomorrha-Ausstellung Fotos: Bibliothek der Universität der Bundeswehr

JENFELD/RAHLSTEDT/BILLSTEDT Es geschah vor 80 Jahren in der Nacht vom 24. zum 25. Juli 1943. Die Briten haben ihre „Operation Gomorrha“ gestartet.

Der erste Angriff rollt. Der Befehl dazu sieht eine „vollständige Zerstörung Hamburgs“ vor. Für heute sind Stadtteile westlich der Alster zum Ziel erklärt. Um 00.33 Uhr wird für ganz Hamburg Luftalarm ausgelöst, um 00.58 Uhr werden der Luftschutzleitung britische Markierungsbomben über dem westlichen Stadtgebiet gemeldet.

Ab 01.00 Uhr fallen die ersten „richtigen“ Bomben, Spreng- und Brandbomben. Ein, zwei Volltreffer erwischen das Karstadt-Gebäude, Schulterblatt 152 (bis 1935 Kaufhaus Poetsch). Es steht dort, wo die Eimsbütteler Chaussee beginnt. Das passiert ziemlich genau um 01.10 Uhr.

Der 25. Juli ist ein Sonntag, es ist tiefe Nacht, aber es sind gleichwohl Menschen im Gebäude: Karstadt-Angestellte, die zur Feuerwache eingeteilt sind. Annita Stange arbeitet eigentlich als Kassiererin im Karstadt-Haus an der Hamburger Straße, hat sich aber bereit erklärt, eine Kollegin in der Eimsbütteler Filiale zu vertreten. Sie ist wohl sofort tot. Am 7. Juli, drei Wochen zuvor, hatte Annita Stange ihren 34. Geburtstag gefeiert, im Familienkreis, und dabei ihren kleinen Neffen Hans-Werner Garbe auf dem Schoß gehabt. Sie war eines der ersten Opfer der „Operation Gomorrha“.

Der Neffe hat nicht nur das Geburtstagsfoto aufbewahrt, sondern auch die Sterbeurkunde seiner Patentante. Das Dokument ist zwei Monate später ausgestellt worden. Nach den Gomorrha-Tagen, vom 25. Juli bis 3. August 1943, hatten die Standesämter rund 43.000 solcher Fälle abzuarbeiten. Hans-Werner Garbe, der in Billstedt wohnt, hat die Urkunde jetzt für eine Vitrine in der viel besuchten Gomorrha-Ausstellung zur Verfügung gestellt, die in der Bibliothek Helmut-Schmidt-Universität gezeigt wird. Sie steht unter dem Titel „Ausgebombt! Hamburgs Gomorrha und die Folgen“ und ist noch bis Ende September zu sehen.

Garbe möchte damit zum historischen Verständnis beitragen, aber auch der HSU-Bibliothek seinen Dank abstatten: „Seit Jahrzehnten gehöre ich zu den externen Benutzern, ich genieße die Atmosphäre dort.“ Sabine Grimm, die für das Ausstellungswesen der Bibliothek verantwortlich ist, zeigt sich hocherfreut, und Kurator Helmut Stubbe da Luz hebt hervor, was an der Urkunde so lehrreich ist: „Annita Stanges Familie brauchte für die Sterbeurkunde keine Gebührenmarke an der Amtskasse zu erwerben. Die junge Frau galt als ‚Kriegsopfer der Heimat‘. Sie wurde der Heimatfront zugerechnet.“ Die politische Führung betonte damals immer wieder, dass die Zivilbevölkerung für den Krieg nicht weniger wichtig sei wie die Soldaten an der Front. Deshalb stand auf der Urkunde, Annita Stange sei „gefallen“.

Original-Manuskript

Ein zweites Dokument hat Beate Both aus Ohlstedt für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. Ein handschriftlicher Bericht ihres Vaters. Darin hat Heinz Biesterfeldt (damals 16 Jahre alt) festgehalten, wie er den Gomorrha-Angriff vom 27. /28. Juli 1943 von Rahlstedt aus erlebte, den Feuersturm-Angriff. „Unser Schicksal“ ist das Manuskript überschrieben. Auch dieser Brief ist jetzt in der Ausstellung zu sehen und zu lesen.

Weitere Dokumente willkommen: Sabine Grimm und Helmut Stubbe da Luz laden die Leserinnen und Leser des Wochenblatts dazu ein, weitere Dokumente vorübergehend der Ausstellung zur Verfügung zu stellen. „Wir sind gespannt“, sagt Sabine Grimm, „was bis Ende September noch eintrudelt.“ Kontakt: Sabine Grimm, Universitätsbibliothek Tel. 040/6541-2181

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