19. Februar 2022
Horn

Horn bekommt einen „Bleistift“

Geschichte und Wandel der Kapernaum-kirche

Noch ist die Kirchenwelt in Ordnung: 1971 zieren Krone und Kreuz den „Bleistift“ genannten Turm der Kapernaum-Kirche Foto: Bünning

HORN In der 59. Folge der Serie steht der Fotograf Hans Bünning an der Einmündung der O‘Swaldstraße in die Sievekingsallee und blickt auf die Kapernaum-Kirche.

Mit dem Wiederaufbau nach dem Krieg wurden auch zuvor brachliegende Flächen genutzt, um der starken Nachfrage nach Wohnraum gerecht zu werden. Zu den ersten Horner Neubaugebieten der Nachkriegszeit gehörte das Karree am östlichen Ende der Washingtonallee. Wenig später war Baubeginn am westlichen Ortseingang der Sievekingsallee. Und Ende der 1950er-Jahre folgte dann die Horner Geest.

Für den damit verbundenen Anstieg der Bevölkerung reichte die Martinskirche – bis dahin einziges Gotteshaus in Horn – nicht mehr aus. So entstanden in kurzer Folge die Kirchen der Gemeinden Philippus (1956), Nathanael (1958), Kapernaum und Timotheus (1961), die Freie Evangelische (1966) und St. Olaf (1968).

Für die rund um den neu angelegten Rhiemsweg zwischen Sievekingsallee und Rennbahnstraße auf dem Areal der ehemaligen Schrebergärten nach und nach errichteten Wohnblöcke gründete sich die Kapernaum-Gemeinde. Der Name bezieht sich auf die biblische Stadt Kapernaum. Das einstige Fischerdorf am See Genezareth gilt als einer der bedeutenden Orte, an denen Jesus gelebt und gewirkt hat.

Mit der Stadt Hamburg erfolgte im April 1959 ein Grundstückstausch, so dass die Kirche im Anschluss an den großen Wohnblock bei der Sebastiangasse geplant werden konnte. Erste Entwürfe hatte der Architekt Otto Kindt bereits 1956 vorgelegt; im endgültigen Plan von 1959 noch einmal grundlegend verändert. Ursache war die nicht umgesetzte Verlängerung der O‘Swaldstraße bis zur Rennbahnstraße.

Auch der Plan für den Turm – liebevoll „Bleistift“ genannt – wurde noch einmal überarbeitet. Durch die benachbarten Hochhäuser war eine Erhöhung um zehn Meter auf nunmehr 44 Metern nötigt. Der Grundstein zum Kirchenbau wurde am 21. Juni 1960 gelegt, Richtfest feierte man am 28. Oktober 1960. Am 3. Mai 1961 lieferte die renommierte Gießerei Rinken die drei Glocken, und am 17. September 1961 konnte die Kirche eingeweiht werden. Der Neubau war für 400 Personen ausgelegt. Fünf Jahre später erfolgte die Grundsteinlegung für die Kindertagesstätte (links im Bild).

Im Mai 1966 wurde Pastor Wolfgang Weißbach in sein Amt eingeführt. Er sorgte mit seiner Jugendarbeit, die sich unter anderem auf die damalige Rocker-Szene konzentrierte und mit den ersten Beat-Gottesdiensten für großes Medieninteresse.

Sinkende Mitgliederzahlen und Kirchensteuereinnahmen der evangelischen Kirche führten 1999 zu einer Fusion der Kapernaum-, Nathanael- und Martinsgemeinde zur Kirchengemeinde Hamburg-Horn. Am 26. Dezember 2002 fand dann der letzte Gottesdienst in der Kapernaum-Kirche statt, danach wurde sie entwidmet. Die Orgel ging an die Ev.-meth.-Christuskirche zu Hamburg-Hamm; die Glocken kamen 2008 zur Ansgar-Kirche nach Langenhorn.

2008 kaufte ein Investor das gesamte Ensemble, geplante Umnutzungen der Kirche scheiterten aber am Denkmalschutz. Lediglich Gemeindehaus, Kindergarten und Pastorate wurden abgebrochen und die Flächen mit einem Pflegeheim und einer Seniorenwohnanlage bebaut. Nach langem Leerstand erwarb im November 2012 der Moscheeverein Islamisches Zentrum Al-Nour das Bauwerk und wandelte es in eine Moschee um. Nach fünfjähriger Umbauzeit wurde sie am 26. September 2018 eingeweiht. Den „Bleistift“-Turm ziert nun statt Krone und Kreuz der arabische Schriftzug „Allah“.

Alle Folgen der Serie „Horn damals und heute“ mit interaktiver Bildüberblendung finden Sie auf der neu gestalteten Internetseite www.horn-damals-heute.de

Aus der Kirche wurde die Al Nour-Moschee
aus dem Kindergarten eine Senioren-Wohnanlage
Foto: von Borstel

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