13. Mai 2023
Hamburg-Mitte

Erinnerungsarbeit ist weiter notwendig

Preisverleihung im Gedenken an Esther Bejarano

Detlef Garbe (v.l.), Bernhard Esser und Carina Oestreich mit dem Preis Foto: Timm

HAMBURG-MITTE Zum zweiten Mal hat die Bezirksversammlung den Preis „Verantwortung – damals und heute“ in Gedenken an die Zeitzeugin der Nazizeit, Esther Bejarano, vergeben.

So hübsch der überdachte Innenhof des Museums für Hamburgische Geschichte auch ist: Der Preisverleihung am Jahrestag der kampflosen Übergabe Hamburgs im Zweiten Weltkrieg hätte man eine weit größere Öffentlichkeit gewünscht, schließlich zeichnete sie ein unaufge-regt-eindringliches Bild davon, warum Erinnerungs-arbeit heute notwendig ist – und zwar nicht nur wegen der diversen Redebeiträge.

Bestes Beispiel war die Wilhelmsburgerin Narin Bozkurt, die das Geschehen durch ihre Lieder begleitete. Sie war muslimisch gekleidet, sang auf Arabisch und Hebräisch und berief sich in einem kurzen Statement ausdrücklich auf Esther Bejarano – jene Zeitzeugin, in deren Gedenken der Preis der Bezirksversammlung 2023 zum zweiten Mal verliehen wurde.
Und das Zweite: Den Förderpreis bekamen Neuntklässler aus den Philosophiekursen des Gymnasiums Struensee auf St. Pauli, die über die Nazizeit in ihrem Viertel geforscht haben.

Und schließlich doch die Redebeiträge: Bezirksamts-leiter Ralf Neubauer (SPD) erinnerte in seiner Ansprache daran, dass Adolf Hitler Hamburg 31mal besucht hat: „Jedes Mal wurde er von den Hamburgerinnen und Hamburgern emphatisch gefeiert – nicht anders als in anderen deutschen Großstädten.“ Und Neubauer schlug auch einen Bogen in die Gegenwart: „An die Zerstörung zu erinnern, die von den Deut-schen ausging, heißt auch, uns selbst daran zu erinnern, dass seit 78 Jahren Frieden herrscht in Deutschland. Und wir alle hoffen, dass das so bald wie möglich wieder für ganz Europa gilt.“

Carina Oestreich (SPD), die Vorsitzende der Bezirksversammlung, stellte Bernhard Esser vor, der in diesem Jahr mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde. Seine Familie war seit 1933 der Verfolgung ausgesetzt, nicht alle überlebten: „Diese Erfahrungen haben Bernhard Esser geprägt.“ Er geht zur Post, ist in der Gewerkschaft aktiv, und seit 2003 im Vorstand des Freundeskreises der KZ-Gedenkstätte Neuengamme aktiv.

Vor elf Jahren muss Bernhard Esser sich gegen den Sohn eines KZ-Arztes wehren, über dessen Verbrechen er gesprochen hatte. Beweise hat er zunächst nicht, die Hamburger Staatsanwaltschaft hilft mit einer Akte aus ihrem Bestand.

Sein großes Projekt ist der Ort der Verbundenheit in Neuengamme, an dem die Nachkommen der früheren KZ-Häftlinge über selbst hergestellte Plakate miteinander in Kontakt kommen können.

Bernhard Essers Dankesrede ist dann auch der absolute Höhepunkt der Veranstaltung. Der 79-jährige Preisträger muss sich zwar an Krücken auf die Bühne quälen, wird nach seinen Worten aber mit großem Applaus vom Publikum bedacht, das sich dazu von den Sitzen erhoben hat.

Überaus lebendig hatte Esser berichtet, wie er in die Erinnerungsarbeit hineingewachsen war. Bei einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Fuhlsbüttel entdeckt er ein Foto seiner Familie. In Neuengamme lernt er den damaligen, langjährigen Leiter der Gedenkstätte kennen: „Du musst unbedingt bei uns mitmachen“, sagt Garbe zu ihm.

Wie viele andere in der Woche des Gedenkens beschwört auch Esser die Notwendigkeit, sich an Geschichte zu erinnern, weil sich die Ereignisse von damals sonst wiederholen könnten. Das war die Botschaft dieses Abends, und vielleicht spricht sie sich ja herum.

Stolzer Preisträger: Bernhard Esser mit der Urkunde Foto: Bezirksamt

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