BILLSTEDT Durchaus mehr Besucher als erwartet fanden sich kürzlich zum Gedenken an den Widerstand in Billstedt gegen die NS-Herrschaft ein. Darunter waren auch Zehntklässler aus der St. Paulus-Schule. Christiane Chodinski (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) moderierte.
Nein: Der Autor dieser Zeilen hatte vor dem 5. Mai den Namen Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann (gestorben im Neuengammer KZ-Außenlager Wittenberge) noch nie gehört. Und wer der jährlichen Feierstunde zum 8. Mai an den Gedenksteinen am Öjendorfer Weg diesmal folgte, hatte wahrscheinlich vorher auch nicht allzu viel mit Katharina Corleis (sie kam 1935 im KZ Fuhlsbüttel ums Leben) zu tun.
Die von Uwe Everding-Böhm (Gesang, Akkordeon) unter-brochenen Redebeiträge öffneten nicht nur die Tür zu Teilen Billstedter Geschichte, die meist im Verborgenen bleiben, sondern sie demonstrierte auch, wie sehr sich junge Leute in das Gedenken an die Nazizeit einbringen. Zehntklässler der St. Paulus-Schule, die sich als Paten um den Gedenkort kümmern und ihn neu gestalten wollen (das Wochenblatt berichtete), stellten deutlich klar: Sie wollten alles dafür tun, dass sich diese Ereignisse nicht wiederholen.
Dass sie damit nicht allein sind, machte Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer (SPD) deutlich, der von einer gerade erschienenen Jugendstudie berichtete – rund drei Viertel der befragten Jugendlichen stellten den Sinn der Auseinandersetzung mit dieser Zeit nicht infrage.
Überraschend auch die Worte von Wolfgang Strauß (Die Linke, Vorsitzender des Billstedter Regionalausschusses). Er sprach über seinen Vater, der als Koch auf der „St. Louis“ mitfuhr, die mit 900 jüdischen Menschen an Bord von Hamburg nach Kuba reiste, dort aber nicht anlegen durfte und zurück nach Europa musste. Ein Großteil der jüdischen Menschen sei ermordet worden.
Rukeli Trollmann war Boxer und ein Sinto. Shlica Weiß vom Stadtteilprojekt Sonnenland skizzierte sein Leben. Sein Boxtalent wurde früh erkannt, der deutsche Meistertitel wurde ihm 1933 aberkannt (und posthum wieder zugesprochen). Nach einer ersten Verhaftung tauchte er bis 1943 unter, nach der zweiten musste er Zwangsarbeit leisten und für die NS-Wachleute boxen.
Katharina Corleis gehörte zur Billstedter SPD, ging nach dem Verbot in den Untergrund und leistete Widerstand. Ihre Geschichte, so die Billstedter SPD-Abgeordnete Annkathrin Kammeyer, habe sie tief bewegt. Es sei Pflicht und Verantwortung dafür zu sorgen, dass „mutige Frauen und Männer wie Katharina Corleis niemals vergessen werden.“
