HAMBURG In der Hansestadt gibt es bis heute viele Straßen, die nach Personen benannt sind, die dem NS-Regime nahestanden. Seit 2020 hat sich im Auftrag der Kulturbehörde eine achtköpfige Kommission damit beschäftigt, wie man damit umgehen soll. Jetzt hat die Historikerin Miriam Rürup das Ergebnis präsentiert.
In ihrem Abschlussbericht stellte die Kommission fest: „Mit der Benennung einer Straße nach einer Person soll die Leistung dieser Person in besonderer Weise ehrend gewürdigt werden. Eine Ehrung in dieser Form ist nicht mehr haltbar, wenn das Handeln der Person die heutigen Wertvorstellungen in eklatanter Weise verletzt.“
Demnach sollen in der Stadt weitere Straßennamen, mit denen NS-belastete Personen geehrt wurden, umbenannt werden. In weniger schwerwiegenden Fällen soll ihre Biografie durch Tafeln, Stelen oder QR-Codes kritisch kommentiert werden. So werde berücksichtigt, ob jemand sich nach 1945 mit seiner eigenen Rolle im NS-Staat kritisch auseinandergesetzt habe, sagte Rürup.
Insgesamt werden elf Umbenennungen empfohlen. Dazu gehört der Högerdamm (seit 1956) in Hammerbrook. Fritz Höger, Architekt des Chilehauses, der von 1877 bis 1949 lebte, war schon vor 1933 bekennender Nationalsozialist und äußerte sich auch nach 1945 noch antisemitisch.
Der Historiker und Jurist Heinrich Reincke (1881–1960) war Direktor des Staatsarchivs. Er meldete als überzeugter Nationalsozialist viele Juden der Gestapo. Der Reinckeweg (seit 1975) in Wandsbek trägt seinen Namen.
Die NS-Karriere von Walter Bärsch (1914–1990), ehemaliger Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes – seit 1933 in der SS und seit 1934 in der NSDAP –, wurde erst nach seinem Tod publik. Er machte bewusst Falschangaben zu seinem Lebenslauf. Daher soll auch der Walter-Bärsch-Weg (seit 2000) in Fuhlsbüttel einen neuen Namen bekommen.
In Altona ist es die JUlius-Brecht-Straße (seit 1965). Der SPD-Bürgerschafts- und Bundestagsabgeordnete (1900–1962) betrieb seit 1938 als Leiter des Reichsverbands des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens in Berlin die aktive Vertreibung jüdischer Bewohner aus Genossenschaftswohnungen
In Harburg geht es um den Albert-Schäfer-Weg (seit 2003). Der Vorstandsvorsitzende der Harburger Phoenix AG (1881–1971) habe die Verantwortung für den Einsatz von Zwangsarbeitern bei den Gummiwerken getragen. Schäfer war noch vor wenigen Jahren wegen seiner Rolle bei der kampflosen Übergabe Hamburgs an die britischen Truppen geehrt worden.
Zu den empfohlenen Umbenennungen erklärte Rürup, auch Theodor Heynemann (1878–1951) mit der nach ihm benannten Straße (seit 1960) in Langenhorn gehöre dazu. Der Gynäkologe habe sich an Zwangssterilisierungen beteiligt. Betroffen auch der Oehleckerring (seit 1963) in Langenhorn. Franz Oehlecker (1874–1957), seit 1907 Arzt am Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf, führte seit 1933 am AK Barmbek Hunderte von Zwangssterilisationen durch.
In Alsterdorf sind es die Paul-Stritter-Brücke und der Paul-Stritter-Weg (seit 1960). Beim Namensgeber (1863–1944), Pastor und Direktor der Alsterdorfer Anstalten, ist davon auszugehen, dass er Kenntnis von der Mittäterschaft seines Nachfolgers Pastor Friedrich Lensch an der Ermordung von mehr als 500 Menschen mit Behinderung hatte und nicht einschritt.
In Groß Borstel ist es der Strüverweg (seit 1953). Adolf Strüver (1886–1947) profitierte als Unternehmer vom Aufschwung der Rüstungsproduktion, da er Aggregate für die Wehrmacht produzierte. Seine Firma unterhielt ein eigenes Lager für rund 100 Zwangsarbeiter/-innen.
Um den Elingiusplatz (seit 1979) geht es in Allermöhe. Der Architekt Carl Erich Elingius (1879–1948) trat 1933 der NSDAP bei und war an maßgeblicher Stelle im Rahmen der NS-Bauplanung für das „neue Hamburg“ tätig. Er nahm in großem Umfang Aufträge der NSDAP wahr und war Profiteur des NS-Staates.
Zudem steht die Schorrhöhe (seit 1955) in Bergedorf vor ihrer Umbennung. Der Astronom Richard Schorr (1867–1951) war seit 1902 Direktor der Hamburger Sternwarte. Er denunzierte Astrologen als „Volksschädlinge“.
Seit 1986 erhielten insgesamt 17 Straßen wegen des Nachweises einer schwerwiegenden NS-Belastung ihrer Namensgeber einen neuen Namen. Allein eine NSDAP-Mitgliedschaft sei dabei aber kein Grund für eine Umbenennung. Auch der Heidi-Kabel-Platz am Hauptbahnhof werde nicht umbenannt, obwohl die Volksschauspielerin Mitglied der NS-Frauenschaft war.
Es müsse berücksichtigt werden, dass sich Heidi Kabel später deutlich distanziert habe, so Rürup. Es soll künftig aber über ihre NS-Vergangenheit informiert werden. Ähnlich soll bei Felix Dahn, Rudolf Klophaus, Kurt A. Körber und Carl-Hans Lungershausen verfahren werden.
Außerdem sollen Straßen, die in der NS-Zeit umbenannt wurden, ihre alten Namen wiederbekommen. Dies betrifft Straßen, deren Namensgeber Juden waren oder die aus politischen oder rassistischen Gründen verfolgt wurden. Die Diskussion über belastete Straßennamen sei noch nicht abgeschlossen, sagte Kultursenator Carsten Brosda (SPD). Alle Vorschläge sollen jetzt mit den Bezirken diskutiert werden.