22. September 2022
Hamburg

Erstlingswerk mit Original-Schauplätzen

Nackte Leiche am Grab von Helmut Schmidt

Autor

Als Krimiautor Leo Hansen die mächtige Robinie an der Alster entdeckte, wusste er sofort, dass sie zum Tatort werden würde Foto: Dagmar Gehm

HAMBURG Mächtig breitet die Robinie am Alsteranleger Fährstraße ihre Krone aus. Kaum jemand ahnt, dass an ihrem Stamm eine Leiche gelehnt hat. Männlich, nackt, mit abgeschnittenem Geschlechtsteil.

Als ob auf dem Ohlsdorfer Friedhof nicht genug Tote lägen, hat der Krimiautor einen weiteren neben dem Grab von Helmut Schmidt platziert. Den dritten am Alten Schweden, dem großen Findling am Elbstrand, der Anfang 2019 in Gold erstrahlte. Die Ritualmorde ranken sich um dubiose Geschäftsbeziehungen einer Hamburger Kaufmannsgilde ins Ausland. Es geht um Rache.

Immer wieder hat Leo Hansen Hamburg durchstreift, auf der Suche nach Tatorten und Schauplätzen für sein Erstlingswerk „Alsternacht“. „Die Robinie habe ich in der blauen Stunde entdeckt, als sie in ein mystisches Licht getaucht war. Da dachte ich mir: Das kann man so inszenieren.“
Eins zu eins übernimmt er die Schauplätze, verfälscht nur selten einen Straßennamen, erfindet ein Café. „50 Jahre habe ich in Hamburg gelebt“, sagt der Krimiautor (Jahrgang 1954), „bevor ich vor zweieinhalb Jahren nach Neustadt in Holstein gezogen bin. Doch zwei meiner drei Kinder leben in Ottensen. Ich besuche sie öfter.“

Psychologischer Hintergrund

So realistisch wie die Tatorte schildert Hansen, der bei den Landesmedienanstalten in Hamburg und Thüringen und als Lehrer für Medienpädagogik, Psychologie und Politik tätig war, auch die Ermittlungsarbeit. Gewürzt mit einer Prise schwarzen Humors, beraten von seinem Freund, einem Kriminalkommissar. „Im Schnitt habe ich dann vier Stunden täglich daran geschrieben.“ Mit Ehefrau Ines Müller-Hansen als kritischer Erstleserin.

Hansens psychologischer Hintergrund offenbart sich auch beim „transgenerationalen Trauma“ als Mordmotiv des Serientäters und als seelische Last der norwegischen Ermittlerin Janne. „Das sind traumatische Erlebnisse, die selbst in zweiter Generation noch spürbar sind“, sagt Hansen. „In diesem Fall sind es Großmütter, die mit geschorenen Haaren durchs Dorf oder die Stadt getrieben wurden. Das Thema hat mich schon immer interessiert.“

Das Ende schreit nach einer Fortsetzung. „Ich schreibe gerade daran“, versichert der Autor. „Der nächste Krimi spielt auch in Hamburg, mit den gleichen Ermittlern.“ Man darf gespannt sein.

Buch
Leo Hansen, Alsternacht, Kriminalroman, Emons Verlag, 368 Seiten, ISBN 978-3-7408-1539-4 15 Euro

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