16. Januar 2021
Hamburg

Das Laufrad für Erwachsene

Ein 86-Jähriger wird zum Hingucker im Schanzenviertel

Laufrad

Albrecht Schnitzer (86) hat das federleichte Laufrad aus Carbon für Erwachsene entwickelt Foto: Gehm

HAMBURG Ein 86-Jähriger, der auf der Straße die Aufmerksamkeit von Passanten auf sich zieht, ist eher selten. Selbst in Eimsbüttels Schanzenviertel, wo man viel Schräges gewohnt ist. Albrecht Schnitzer kann darüber nur lächeln. Denn über sein Laufrad für Erwachsene ist er einfach nur glücklich.

„Schaff dir mal Pedale an“, oder „hast du die Kette verloren?“ – geschenkt! Das passiert ihm auf seinen Spazierfahrten, die eigentlich Spaziergänge sind, öfter. „Doch als mal jemand rief: ,Kaputt oder soll so?‘ rief ich sofort meinen Sohn Heinrich an. Wir hatten den Namen für das Laufrad gefunden: Sollso.“ Seitdem wird das praktische Gefährt in China produziert und von Heinrich Schnitzer über die „Sollso Laufrad UG“ vertrieben.

Ein Rollator ist eine Fehlkonstruktion

Begonnen hat die Erfolgs-story damit, dass dem Senior das Gehen zunehmend schwerfiel. Mit seinem kleinen Klapprad fühlte er sich jedoch unsicher im dichten Stadtverkehr. Also ließ er alles abbauen, was mit Antrieb zu tun hatte, wie Pedale, Kette, Ritzel. Das Laufrad für Erwachsene war geboren.

Schon immer hat der findige Hamburger erreicht, was er sich vorgenommen hat. Als gelernter Tischler begann er auf dem zweiten Bildungsweg ein Pädagogikstudium und wurde Dozent am Institut für Lehrerfortbildung. Danach wollte der ehemals leidenschaftliche Tangotänzer unbedingt in Bewegung bleiben. „Aber ich lehne es ab, in krummer Haltung über einen Rollator gebeugt herumlaufen. Ein Rollator ist für mich ein Sinnbild des Verfalls, ein ergometrisches Unglück, eine Fehlkonstruktion. Auf dem Laufrad dagegen sitze ich vollkommen aufrecht.“

Als großen Vorteil empfindet der rüstige Senior auch, dass er mit dem Laufrad den Gehweg benutzen darf. Irgendwann wurde er deswegen von der Polizei angehalten. Also zog er seine Trumpfkarte: „Aber Sie können der Straßenverkehrsordnung entnehmen, dass ich auf den Gehweg gehöre, Herr Wachtmeister.“ Daraufhin entschuldigte sich der Polizist und wünschte ihm noch alles Gute.

Federleicht und bezahlbar

Ein echter Hingucker ist Albrecht Schnitzer, wenn er mit Schiebermütze und lila Laufrad auf täglicher Tour durchs Schanzenviertel rollt. Das schicke Gefährt ist aus Carbon gebaut und wiegt nur 4,5 kg. „Ich kann das federleichte Rad mühelos in den zweiten Stock tragen.“ Mit 680 Euro inklusive Lieferung ist es auch bezahlbar.

Anfangs war es dem Senior ein bisschen peinlich, wenn Kinder riefen: „Schau mal, Mama, ein Erwachsener mit Laufrad!“ Aber inzwischen erfährt er viel Zuspruch. „Ich erkläre den Menschen, dass ich damit meine Bewegung beherrschen und sofort stehen bleiben kann. Dass ich damit aber auch gern mal lustvoll beschleunigen mag.“

Das Laufrad dient Albrecht Schnitzer als Stütze, als Transportmittel, als Sportgerät. „Es hat mir wirklich ein neues Lebensgefühl gegeben.“ www.laufrad-fuer-erwachsene.de

Sollso
„Wenn ich sonntags mit meiner Nachbarin spazieren gehe, muss sie sich nicht dem Gehtempo meiner langsamen Beine anpassen“ Foto: Gehm

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