HAMBURG Täglich dreht Flughafenpastor Björn Kranefuß seine Runden durch die wenig frequentierten Terminals. „Nicht nur die Kapelle ist jetzt ein Ort der Stille, sondern der gesamte Airport“, sagt Flughafenpastor Björn Kranefuß, der seit 2000 dort im Einsatz ist. „Dafür kann ich jetzt intensivere Gespräche führen.“
„Gott segne alle Reisenden“ hat ein Passagier in das dicke Gästebuch im Andachtsraum in Terminal 1, Ebene 1, geschrieben. Und spricht damit dem Pastor aus dem Herzen. Meistens ist der 61-jährige von sechs Uhr morgens bis mittags am Airport, danach telefonisch unter 0179 / 106 82 95 zu erreichen. Alle 14 Tage hält er jeden Mittwoch von 8.15 Uhr bis 8.45 Uhr eine Andacht.“
Aus drei Gruppen besteht seine „flüchtige“ Gemeinde, erklärt der Geistliche. „Da sind die Reisenden, die den christlichen Andachtsraum, der konfessionsübergreifend für alle offen steht, vor oder nach einem Flug aufsuchen.“ Rund 4,56 Millionen Passagiere waren es 2020, 73,7 Prozent weniger als 2019. Die Zahl von durchschnittlich 48.000 Passagieren pro Tag bei 200 Starts und 200 Landungen ist im aktuellen Lockdown auf maximal 5.000 Passagiere pro Tag geschrumpft.
Geistlicher Beistand ist trotzdem gefragt. „Einmal erhielt ich spätabends den Anruf einer Schulleitung, dass während der Klassenreise einer Schülerin zuhause ein Familienmitglied gestorben sei. In meinem Flughafenbüro hatte sich schon ihre Familie versammelt, gemeinsam haben wir dem Mädchen dann die traurige Nachricht überbracht.“
Konfessionsübergreifend
Die zweite Gruppe hält sich am Flughafen auf, obwohl sie weder reist noch dort arbeitet. Es handelt sich dabei neben acht Millionen Besuchern um Menschen mit psychischer Erkrankung und Obdachlose. „Oftmals suchen wir zusammen mit der Bahnhofsmission dann um Lösungen.“ Die dritte Gruppe besteht aus 15.000 Mitarbeiter/-innen am gesamten Flughafen-Standort. „Für sie bin ich seit 20 Jahren ihr Stadtteilpastor, führe Taufen durch, Trauungen, Trauerfeiern. Viele kleine Läden und Reisebüros wurden jetzt geschlossen, bei Existenzangst bin ich ihre Anlaufstelle.“
Der Andachtsraum mit Altar, Kreuz und Fotos von Harald Poppendick lädt konfessionsübergreifend zum Innehalten ein. Zusammen mit einem Mitarbeiter hat der rührige Pastor Geocaching, die moderne Art der Schnitzeljagd, am Flughafen entwickelt. Von der Geocache-Community in Hamburg wurde der Cache in der Airport-Kapelle zum „Geocache des Jahres 2013“ gewählt. Ob er mit Gott hadert, weil er die Pandemie nicht verhindert hat? „Nein“, sagt der Geistliche. „Ich hadere nicht mit Gott, sondern mit manchen Menschen und ihrem Umgang mit der Pandemie. Sie ist für mich eine Prüfung, für die ich Gott um Kraft und Haltung bitte. Corona ist eine riesige Herausforderung auch für die Seele, weil wir anderen Menschen wegen der potenziellen Ansteckungsgefahr mit Argwohn und Misstrauen begegnen. Ich bete jeden Tag dafür, dass das Licht am Ende des Tunnels bald erreicht wird.“