29. Januar 2022
Allgemein

Kräfte sammeln in der Natur

Wie der neue Trend Waldbaden Körper und Seele stärkt

Augen zu und tief durchatmen: Stefan Polke hat das Waldbaden für sich entdeckt Fotos: Klotz

Augen zu und tief durchatmen: Stefan Polke hat das Waldbaden für sich entdeckt Fotos: Klotz

BÖRNSEN Die Corona-Zeit – sie geht wohl an niemandem spurlos vorüber. Vielen Menschen machen die täglichen Einschränkungen und Sorgen zu schaffen. Auch Stefan Polke, der auf dem Ohlsdorfer Friedhof arbeitet, spürt die zusätzliche Belastung in seinem Alltag. Und das, obwohl er dort als Gärtner viel an der frischen Luft ist. Doch er hat Wege gefunden, die ihm helfen, besser durch diese schwierige Zeit zu kommen: Er hat das Waldbaden und Meditieren für sich entdeckt.

Wie sehr er persönlich davon profitiert, erzählt er bei einem Spaziergang durch den winterlich-kahlen Wald. „So oft ich kann, nehme ich mir eine kurze Auszeit und komme hierher“, sagt der 51-Jährige. „Schon eine halbe Stunde im Wald reicht aus, um Stress abzubauen, herunterzukommen und den Kopf frei zu kriegen.“ Besonders gern ist er im Sachsenwald oder auf dem Geesthang zwischen Börnsen und Bergedorf unterwegs. Allerdings nicht, um sich wie beim Wandern zügig vorwärts zu bewegen. „Beim Waldbaden geht es um die Entschleunigung und die vertiefte Wahrnehmung in der Natur“, meint Stefan Polke. „Ich nehme mir Zeit, um den Wald mit allen Sinnen zu erfahren, in mich aufzunehmen und zur Ruhe zu kommen.“ Das kann im Stehen oder beim gemächlichen Gehen sein. Manchmal setzt er sich aber auch im Schneidersitz an einen Baum. Dann schließt er wie bei einer Meditation die Augen, atmet tief durch und fokussiert sich ganz auf sich selbst. „

Für manche Spaziergänger mag das ein ungewohnter Anblick sein. Aber es hilft wirklich, alle Gedanken, die sich manchmal drehen wie ein Karussell, loszulassen und einfach nur zu atmen, zu lauschen und zu spüren.“ Gestern, erzählt er, hörte er über sich eine Meise, hinter sich einen Kleiber und rechts von ihm an einer alten Eiche klopfte ein Specht. Geräusche, die in der Stille an sein Ohr drangen und ihn ruhig und entspannt werden ließen. Manchmal vernimmt er auch das Rauschen der Blätter, einen Flugzeugmotor in der Ferne, das Klacken der Stöcke beim Nordic Walking oder ein Eichhörnchen, das durch die Bäume springt. Doch nicht nur Geräusche finden beim Waldbaden den Weg in sein Bewusstsein. Auch den leicht modrigen Geruch des Waldbodens, Fichten- und Kiefernduft oder Blüten im Frühling – all das nimmt er überdeutlich wahr. „Je länger ich still stehe oder sitze, desto mehr höre oder rieche ich. Oder ich spüre den Wind in meinem Nacken. Was auch immer es ist, man kommt dabei einfach richtig zur Ruhe, und das tut mir sehr gut.“

Damit ist Stefan Polke nicht allein. Das Waldbaden ist ein neuer Trend, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Und es gilt auch als erwiesen, dass bereits ein kurzes Waldbad Atmung, Puls und Blutdruck verbessert. Auch bei Burnout oder Herzkreislauf-Erkrankungen kann es gute Dienste leisten, indem es die Selbstheilungskräfte stärkt.
Sein neues Achtsamkeitsgefühl ist daher etwas, das er unbedingt an andere weitergeben möchte. „Ich würde mich freuen, wenn so viele wie möglich das Waldbaden für sich entdecken und nutzen könnten“, sagt der naturverbundene Börnsener. „Man wird achtsamer mit sich selber und Anderen, gelassener, konzentrierter, ausgeglichener und kommt auf neue Ideen. All das macht den Alltag leichter.“ Und das Beste, findet Polke: Waldbaden geht zu jeder Jahreszeit und überall da, wo es Bäume gibt.

Waldbaden
Laut Studien verbessert bereits ein kurzes Waldbad Atmung, Puls und Blutdruck, hilft gegen Burnout und Herzkreislauferkrankungen und stärkt das Immunsystem. Vermutlich beruht die therapeutische Wirkung auf Körper und Seele auch auf Terpenen, Bestandteilen ätherischer Öle, die aus Rinde, Blättern und Sträuchern ausdünsten. Durch ihre Aufnahme über Lunge und Haut beruhigt sich beim Menschen der Sympathikus, ein Teil des vegetativen Nervensystems, der in Stresssituationen Flucht- und Kampfreaktionen steuert.

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