HAMBURG „Du hast deine Zähne vergessen!“, feixt ein Kollege und bringt Patrick Michel eine Schachtel. Darin befindet sich ein Gebiss mit vergammelten Beißern als Teil seiner Maskierung. „Ich spiele den Renfield“, lacht der Schauspieler (33), der seit 2015 zum Ensemble des Imperial Theaters gehört, „den verrückten Gehilfen von Dracula“.
Weitaus längere Eckzähne hat Dracula, der berühmteste Vampir der Welt, der am 19. August im Imperial Theater, ganz oben an der Reeperbahn, Premiere gefeiert hat. Eigentlich wäre laut Frank Thannhäuser (59), Intendant des größten Krimitheaters Deutschlands (270 Plätze), die neue Produktion bereits im August 2021 angelaufen, „doch wegen der Corona-Zwangspause war es leider nicht möglich. Trotzdem konnten wir dank Unterstützung der Stadt überleben.“
Krimis und Stücke aus Gruselliteratur kommen beim Stammpublikum, das rund 60 Prozent der Besucher ausmacht, besonders gut an. Auch Dracula verspricht ein Kassenhit zu werden: „Ein sehr reizvoller Stoff, der schon als Roman von Bram Stoker sehr theatralisch ist und in Hamburg noch nie gespielt wurde.“ Nun hat Allround-Talent Thannhäuser den Roman, bestehend aus Briefen und Tagebuch-Eintragungen, zum Bühnenstück umgeschrieben: „Und zwar so, dass es die Epoche Ende des 19. Jahrhunderts widerspiegelt, unterstrichen von speziellem Lichtdesign.“
„Wir haben auch dank der neuen, virenresistenten Lüftungsanlage, die die Luft austauscht statt sie umzuwälzen, bei den Proben viel Spaß. Doch das Stück soll nicht zur Schmunzette geraten. Denn Graf Dracula, gespielt von Christian Richard Bauer, ist bei uns kein altes Monster, das herumschleicht und Leute beißt, sondern ein böser Mensch in guter Verpackung. Erst im Laufe des Stücks wird klar, warum Lucy (Aline Weidel) total auf ihn steht.“
„Richtig die Sau rauslassen“ darf Patrick Michel bei Dracula. „Mit Perücken, verstellter Stimme und anderer Körperhaltung kann ich bei der Figur des Renfield herumexperimentieren, so dass mich niemand erkennt. Nach den Vorstellungen mischen sich die Schauspieler immer unter die Zuschauer an der Bar. Wenn dann einer sagen würde: ,Was, Sie haben den Renfield gespielt!‘, wäre es das größte Kompliment für mich.“